Im engeren Sinne bezeichnet Realismus eine künstlerische Bewegung des mittleren 19. Jahrhunderts, die sich durch die Darstellung von Alltagsszenen auf naturalistische Weise auszeichnet. Allerdings wird der Begriff oft auch allgemeiner verwendet, um Kunstwerke zu beschreiben, die äußerst realistisch, fast fotografisch gemalt wurden.
Entdecken Sie hier unsere Auswahl an Werken des Realismus
Obwohl künstlerische Darstellungen des gewöhnlichen Lebens nicht wirklich unbekannt waren, standen sie im westlichen Kunstkanon nur selten im Mittelpunkt eines Gemäldes – bis der Realismus in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkam. Zu dieser Zeit verloren neoklassische und romantische Kunstbewegungen ein wenig ihren Glanz, während zeitgleich die realistischen Maler*innen begannen, die lange Tradition des Idealismus in der akademischen Malerei aufzugeben.
Für viele Künstler*innen, die sich für die Idee des Realismus begeisterten, diente die französische Gesellschaft als stete Quelle der Inspiration. Der Realismus entstand in den 1840er Jahren in Frankreich – als Gegenbewegung zum Romantizismus, der sich durch intensive dramatische Szenen aus der Geschichte und üppige Naturbilder auszeichnete. Wie der Begriff „Realismus“ bereits verrät, legte die realistische Tradition den Fokus auf präzise Darstellungen des „wirklichen" Lebens, anstelle von erhabenen Landschaften und dramatischen Allegorien.
Die Gesellschaft, die Wahrheit – und ihre Darstellung
Der Realismus war seiner Zeit heftig umstritten – aufgrund von Werken, die das Leben der Arbeiterklasse in extremer Armut darstellten. Die realistischen Künstler*innen versuchten nicht, die Herausforderungen zu verschleiern, mit denen die Arbeiterklasse zu kämpfen hatte, noch verharmlosten sie schwierige Situationen. Der Realismus strebte danach, Kunst zu schaffen, die das Leben widerspiegelte, die Wahrheit verkörperte und eine präzise Darstellung der französischen Gesellschaft zu jener Zeit bot.
Häufig malten die Realist*innen große Gemälde in den Ausmaßen traditioneller Geschichtsbilder, um die tragischen Facetten des Alltagslebens zu unterstreichen und sich gegen die Akademie aufzulehnen. Gustave Courbets Gemälde „Ein Begräbnis in Ornans", entstanden 1849, lädt dazu ein, über die menschliche Existenz nachzudenken, indem es eine exakte Darstellung einer Beerdigung im typisch realistischen Stil zeigt.
Ähnlich wie Courbet bevorzugten auch andere Künstler*innen Szenen aus dem aktiven Leben – die Straßen der Städte, lebendige Nächte etc. Orte wie diese gehörten zu den bevorzugten Themen der Maler*innen, die den Realismus prägten. Weitere realistische Künstler*innen wie Jean François Millet, Jules Breton, Jean-Baptiste-Camille Corot, Mary Cassatt und Rosa Bonheur brachten gewöhnliche Aspekte des Lebens in ihre Kunst ein – von einer Mutter, die ihr Kind badet, bis hin zu einer jungen Frau, die in einem Café liest. Diese Aspekte des täglichen Lebens, die einst als „hässlich" galten oder sehr private Momente der Verletzlichkeit zeigten, widersetzten sich der Akademie, die den Idealismus und die Schönheitsnormen der noblen Künste bevorzugte.
Der Realismus und die Industrielle Revolution
Der Realismus wurde stark beeinflusst von den zahlreichen gesellschaftlichen Veränderungen und technologischen Fortschritten, die mit der Industriellen Revolution einhergingen. Die Gesellschaft in Frankreich wurde durch diese Umwälzung erschüttert, und das Leben der Menschen nachhaltig geprägt. Die Realist*innen waren fasziniert von den Auswirkungen der industriellen Revolution und thematisierten oft die positiven sowie negativen Seiten dieser transformierenden Epoche.
Ein Beispiel hierfür ist das Gemälde von Gustave Courbet, "Les Casseurs de pierres" (Die Steinklopfer), das im Jahr 1849 entstand und zwei Männer zeigt, die Steine mit ihren bloßen Händen zerbrechen. Das Bild zeigt unverblümt die schwierigen Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse – Courbet wollte die Realität des Arbeitsalltags dieser Menschen darstellen, ohne sie zu idealisieren oder zu verharmlosen.
Andere realistische Künstler wie Jean-François Millet haben die positiveren Seiten der Industriellen Revolution dargestellt. Millet malte oft Szenen aus dem ländlichen Leben und zeigte, wie sich das Leben der Menschen auf dem Land verbesserte. Ein Beispiel dafür ist sein Gemälde „Die Ährenleserinnen" aus dem Jahr 1857, das Frauen beim Sammeln von Weizenähren nach der Ernte zeigt. Millet wollte hier verdeutlichen, dass die Industrielle Revolution den Frauen ermöglichte, Geld zu verdienen und zur Wirtschaft beizutragen.
Der Realismus jenseits der französischen Gesellschaft
Der Realismus setzte seinen Einfluss über die französische Gesellschaft hinaus fort. Künstler*innen verschiedener Länder ließen sich von dieser Bewegung inspirieren und schufen Werke, die die Lebensbedingungen in ihren jeweiligen Heimatländern widerspiegelten.
In den Vereinigten Staaten wurde der Realismus beispielsweise vom Leben in den Großstädten beeinflusst: Die amerikanischen Realist*innen malten oft Szenen des urbanen Lebens, wie lebhafte Straßen, öffentliche Parks und Konzertsäle. Dabei inszenierten sie mit Armut und Gewalt auch die Schattenseiten dieses Stadtlebens.
Der Realismus hatte auch im 20. Jahrhundert einen bedeutenden Einfluss auf die Kunst: Viele künstlerische Strömungen dieses Jahrhunderts, wie der Naturalismus, der Fotorealismus und die Pop-Art, wurden vom Realismus inspiriert. Allen diesen Bewegungen gemeinsam war die Akribie in der Darstellung und der Versuch, die Realität möglichst objektiv wiederzugeben.
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